„Wie heißt du denn?“ – Namensgebung und andere lästige Notwendigkeiten

Sucht man im Internet nach „Wie erstelle ich einen Charakter für mein Buch?“, erscheinen allerhand nützliche Tipps, wie man einer Figur Leben einhauchen kann. Dann scheitert es an dieser Frage:

Aber wie heißt diese/r Idiot/in denn jetzt?

Viele Autoren, mit denen ich mich bisher unterhalten habe, verbringen Stunden über Stunden mit der richtigen Namensgebung. Versteht mich nicht falsch, ich verbringe selbst einen großen Teil des Plottings damit, meine Charaktere mit lustig bunten Namenstags zu versehen, doch scheint mir das deutlich einfacher zu fallen, als manch anderem.
Natürlich gibt es auch die Option, den Namen VOR der eigentlichen Charakterbeschreibung festzulegen, aber seien wir mal ehrlich… Wo ist da der Spaß? 😉

Hier findet ihr meine Ratgeber für das „einfachste“ einer Charaktergestaltung, oder auch „Gib dem Kind doch einfach einen Namen“


Vorbereitung: Kenne deinen Charakter

Dieser Tipp versteht sich vermutlich von selbst. Es ist deutlich leichter, einer Figur einen Namen zu verpassen, wenn man ihn gut kennt. Das betrifft nicht nur den heroischen Helden, der am Ende den Drachen erschlägt, oder die gutaussehende Brünette, die einer anderen den Kopf verdreht.
Auch kleine Charaktere haben eine Geschichte und die solltest du kennen. Gibst du ihr einen Namen, wird sie ein relevanter Teil deiner Handlung, ob dir das bewusst ist oder nicht. Wieso sonst, solltest du Frau Agatha Schmitz aus dem Apartment 2b einführen? Hinter einem Namen erwartet der Leser in der Regel eine Hintergrundgeschichte, sei sie noch so klein.

Hier eine kleine Checkliste, die ich bei der Namensgebung abklappere und die dir hoffentlich auch eine Stütze ist:

  1. Welche Rolle spielt der Charakter innerhalb der Geschichte? (z.B. Vater des Protagonisten, ein Mitglied der Leibgarde, Loveinterest, …)
  2. Welchen (grundsätzlichen) Charakterzug hat der Charakter? (aufbrausend, ruhig, aufgedreht, …)
  3. In welchem Bezug steht er zum Protagonisten/der Protagonistengruppe? (entfernte Bekanntschaft, alte Jugendliebe, die nette Oma von Nebenan mit den Leichen im Keller…)
  4. Welche Wirkung soll der Name auf den Leser haben?
  5. Wie gut soll der Name dem Leser im Gedächnis bleiben?

Punkt 4 und 5 halte ich persönlich für besonders wichtig und bekommen besonders später in diesem Eintrag Bedeutung. Behaltet sie fürs erste einfach im Hinterkopf 😁

Tipp 1: Die Babynamenmethode

Ich glaube, jeder von uns hat mindestens einen seiner Charaktere schonmal „mein Baby“ genannt. Warum also nicht wörtlich nehmen?

Kennt ihr euren Charakter, dann habt ihr normalerweise schon eine grobe Vorstellung davon, ob ihr lieber einen altgriechischen, deutschen oder italienischen Namen haben wollt, weiblich, männlich oder unisex. Autoren haben hier verschiedene Vorlieben. Auch religiöse Hintergründe oder Namensbedeutungen können eine Rolle spielen.
Die Seite https://www.momjunction.com/baby-names/ übernimmt dann den Rest. Nur den Scrollen müsst ihr noch selbst übernehmen 😉

Photo by Lisa Fotios on Pexels.com

Tipp 2: Die „Katze auf Tastatur“-Methode

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Oder auch „Die Keysmashmethode“

Diese Methode eignet sich besonders für Fantasy-Charaktere, die einzigartige Buchstabenkombinationen haben sollen. Auch gut geeignet, um Leser zu ärgern und Diskussionen in diversen Foren anzuregen, wie man den Namen des Antagonisten jetzt „MelSCHior“ oder „MelKior“ ausspricht.

Die Idee dahinter ist wirklich einfach. Mach dir gerne nebenbei ein Editorfenster auf und probier es direkt selbst aus 😉
Sagt mir gerne, was dabei herausgekommen ist!

Schritt 1: Der Keysmash
Hier heißt es: Augen zu und durch. Wortwörtlich. Augen zu und dann einfach rauf auf die Tasten!
Nein, ernsthaft jetzt.
Beispiel:
aöowseidfjaoewzidfhjvöacoweismcvnzfjeodöoöpfwaievnfjcwdeoic
Schritt 2: Schau, was irgendwie zusammenpasst
Der Keysmash ist schön und gut, aber jetzt müssen Lücken gesetzt werden. Hier gibt es keine wirkliche Regel. Überleg am besten, wie lang der Name werden soll.
Buchstaben löschen ist hier keine Schande.
Beispiel:
aö owseid fjaoe w zidfh j vöaco weism cvnz fjeod öoöpf waievn fjcw deoic
Schritt 3: Aufhübschen
Die meisten Keysmashs geben trotz Trennung in halbwegs aussprechbare Stückchen noch nicht viel her, geben aber eine gute Idee. Jetzt schmücken wir alles noch mit Konsonanten und Vokalen aus und tauschen für die Ästhetik noch ein paar Buchstaben aus
Beispiel:
– Taoo
– Owseit
– Fjaoe
– Ziph
– Vöyaco
– Wejsm
– Cevinz f
– Jeod
– Onöp
– Weyevin
– Fjece
– Deoic

Tipp 3: Die Phonetik-Methode

Zugegebenermaßen können die meisten Normalsterblichen mit Phonetik nicht viel anfangen. Aber habt ihr schonmal einen Namen an einen Charakter geklebt, der sich einfach nicht richtig angefühlt hat? Grund dafür ist häufig ein phonetischer Hintergrund. Ich persönlich vergebe Namen gerne anhand der Charaktereigenschaften.
Weiche Charaktere bekommen weiche Namen, harte Charaktere harte Laute und so weiter. Aber was heißt das genau?

Photo by Andrea Piacquadio on Pexels.com

Kommen wir doch nochmal auf Agatha Schmitz zurück.
Anhand des Nachnamens machen die meisten Leser schon aus, dass es sich hier um das deutsche „A-ga-ta“ und nicht das englische „Ä-gä-fa“ (ihr wisst schon, was ich meine) handelt. Anhand dieser Aussprache kann man, ohne genaue Charakterbeschreibung, schon zwei sehr klare Typen ausmachen:
1. „A-ga-ta“: Kleine alte Lady von Nebenan
2. „Ä-gä-fa“: Alte Lady aus Cornwall

Natürlich ändert sich der Eindruck von Namen von Person zu Person, was auch mit Lebenserfahrung zu tun hat, aber das ist ein ganz, ganz anderes Thema. Wie kann man phonetische Unterschiede bei der Charaktergestaltung nutzen?

Photo by Pixabay on Pexels.com

Beispiel:
Der zu benennende Charakter ist ein flüchtiger König, der von klein auf für den Thron erzogen wurde. Im Laufe der Geschichte trifft er auf die Liebe seines Lebens, einem Bauernmädchen, und flieht mit ihr vor einer Gruppe Assassinen.

Was wissen wir jetzt über den Charakter?
1. Er ist ein König -> Der Name sollte mächtig und einprägsam sein, nicht zu kurz. Peter oder Hans wären also keine gute Wahl.
2. Er wurde für den Thron erzogen -> Der Name ist alt und kommt nicht aus der Moderne. Brian fällt also schonmal weg.
3. Er trifft die Liebe seines Lebens -> Es sollte kein ZU harter Laut vorkommen. Dies betrifft meistens Abfolgen wie „ntz“ oder „ek“, in denen harte Konsonanten vorkommen. Auch doppelte Buchstaben wie „ff“ oder „tt“ verhärten die Aussprache, da sie eine Pause erzwingen („Pepper“->Pep-per; „Otto“->Ot-to)

In diesem Fall passt also ein melodischer Name, den man sowohl gut flüstern als auch brüllen kann (ihr wisst schon… für die Dramaturgie). Denke ich an einen König, dann ist mein erster Gedanke König Arthur. Angelehnt daran möchte ich, dass der Charaktername auch mit einem „A“ beginnt.

Einen melodischen Namen konstruiert man am besten, indem man auf viele harte Konsonanten verzichtet. Dadurch rollt er besser von der Zunge 😉
Dank der zuvor genannten Babynamen-Seite weiß ich auch, dass es einen Namen gibt, der „Aabheer“ heißt, der so viel wie „der Furchtlose“ bedeutet. Diesen Gedanken im Hinterkopf, kann man jetzt ein paar Laute durcheinander werfen:

SchreibweiseAusspracheKritik
AbatherA-ba-terUneindeutige Aussprache
AthureeA-tu-reeDurch das „T“ an zweiter Stelle ist die Aussprache nicht mehr melodisch
AbetA-be-tKurz, nicht einprägsam genug
AuboreeO-bo-reeSehr flüssige aussprache, lässt sich nicht gut brüllen durch einen fehlenden harten Konsonanten
AbateeA-ba-tiJabadabadoo anyone?

Der letzt Schritt ist dann das „cherrypicking“. Ich persönlich mag „Abet“ sehr gerne, also kann man dies als Basis nehmen und vielleicht sogar als Spitznamen beibehalten 😁 Also gilt es hier, den übrigen Namen drum herum zu bauen. Man muss hier nicht unbedingt alle Silben ans Ende hängen 😉
Anzumerken ist vielleicht noch, dass Zischlaute wie „S“ oder „Z“ in der Mitte/Ende eines Namens durch das „Spucken“ einen gewissen, bleibenden Eindruck hinterlassen. Also bauen wir das doch in den Namen unseres Königs mit ein.

Beispiele:
– Abetaz
– Abzet
– Absentez
– Abynet
– …

Auf dieselbe Weise kann man auch weitere Namen für diesen König konstruieren. Als Endresultat kam das hier heraus:

Abetaz Fyorin Merigol III., Spitzname Abet
Der todgeweihte König

Photo by Hamid Tajik on Pexels.com

Er erfüllt alle oben genannten Kriterien, rollt gut von der Zunge und weckt bereits beim ersten Lesen ein gewisses Gefühl 😘 Sobald man diese Methode draufhat, dauert die Namensgebung meistens 5-10 Minuten 😎


Fällt euch noch eine Methode ein, die ich hier nicht aufgeführt habe? Lasst es mich gerne wissen!

Hier noch ein paar kleine Tipps zum Schluss:

  1. Protagonistennamen sollten sich immer gut brüllen lassen. Stellt euch vor, euer Protagonist fällt in eine Schlucht. Der Name sollte beim Brüllen nur so lange sein, dass man die Augen noch sehen kann, bevor er in der Dunkelheit versinkt.
  2. Keine Angst vor Spitznamen. Manchmal kann man dadurch sehr gut Sichtweisen deutlich machen.
  3. Gebt eurem Antagonisten einen einprägsamen Namen, bei dem man bei der Aussprache allein schlottert. Dies kann man gut dadurch erreichen, indem man „TZ“-Laute verwendet oder allgemein Laute, die man schlecht flüstern kann. „Spucken“ bei der Aussprache strengt an, man konzentriert sich darauf und das führt dann automatisch dazu, dass man sich eher daran erinnert 😉
  4. Harmlose/weiche Namen können einen Antagonisten undercover sehr effektiv verstecken. Niemand vermutet hinter einer „Minnie“ einen Succubus aus der Hölle, die die Kontrolle über die ganze Stadt an sich reißen will.
  5. Im Umkehrschluss kann man einen Charakter mit einem harten Namen direkt unsympatisch wirken lassen, obwohl er zuckersüß geschrieben wird. Oder was ist deine erste Intention, wenn du an einen „Detleff“ denkst?

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